Beschreibung
Jens- Uwe Ries: …Und verlieren dabei das Gesicht
Ein Roman über das Arbeiten, und was es mit den Menschen anstellt…
Taschenbuch, 164 Seiten. Gedruckt auf Umwelt- und Packpapier.
Passenderweise aus dem Packpapier- Verlag.
Jens- Uwe Ries ist mit den Menschen auf Tuchfühlung, er hört zu, denkt über sie, ihr Leben, das eigene und die Arbeits- Gesellschaft nach, mit Erstaunen und Bedauern nimmt der Ich- Erzähler wahr, wie die Menschen mehr und mehr dem Lebenstrott aus Arbeit und Freizeit verfallen, nichts mehr fragen, nichts mehr hinterfragen: am wenigsten sich Selbst . Aus purem Eigennutz wird eben mal Hans Josef- Strauß gewählt und dergleichen mehr.
Obwohl Ries die Illusionen, Dummheiten und Selbsttäuschungen der Menschen in der Arbeitsgesellschaft fragend und stirnrunzelnd kritisiert, ist er ihnen doch nicht feindlich gesonnen, der Autor untersteht sich, hier als besserwisserischer Nörgler aufzutreten. Und wichtig, wie ich finde: Ries hält sich immer fern von esoterischer Seichtigkeit und fragwürdigen Idealen. Der (post-) modernen Nichtkultur der „Selbstfindung“ (anstelle der Selbstkritik) und einer allerorten sich ergießenden Gebrauchs-Philosophie des „Jeder für sich“ setzt er ein entschiedenes Nein entgegen.
Menschliche Momentaufnahmen und Personen mit ihren Geschichten und Schicksalen verkörpern eine Welt zwischen Arbeit, Minibar, Liebeshunger und Gefühlskälte, der zu entkommen die Menschen keine Anstalten mehr machen, sondern sich stattdessen in die gesichtslose Masse einreihen und mittrotten.
Doch mag sich weder Ries noch sein Protagonist damit zufrieden geben und fragt, philosophiert und ironisiert, schimpft und denkt nach, versucht philosophisch und menschlich, dem Menschen in seiner Jetztzeit auf die Schliche zu kommen, immer in der Hoffnung, kritische Mitmenschen zu finden und mit ihnen eine „freie Menschenwelt“.
Aber man darf unbesorgt sein: Ries eignet sich nicht fürs platte Politpamphlet, die „freie Menschenwelt“ ist kein starrer Regel- oder Tugendentwurf, sondern besteht im verstehbar penetranten Wiederholen der einen Frage, ob es nicht doch möglich wäre, jenseits von Massenarbeit und Stupidität eine vitalere Mitwelt zu leben. Manche der auftretenden Personen lassen daran allerdings argen Zweifel aufkommen, und das Befremden über sich blindstellende Verhaltens- und Denkmuster ist ganz bestimmt auch einer persönlichen Betroffenheit geschuldet; aber ein seichter „Schicksalsschmöker“ ist dies sicherlich nicht!
Das sind die Kapitel:
* Ansätze von einem Ersehnten (in der Arbeit) * Blicke in ein Geschäft * Was fühlst Du wirklich… * Unmündigkeit * Verschollen * Schrott * Endlich Gespräch * Menschenwelt könnte werden * Menschenwelt könnte werden II: Aufstand in Taschenausgabe * Geld arbeitet * Arbeitsplätze * Wohin gehen wir? * Zurück ins Alte * Das Leben aussen vor * Wir brauchen Feuer! * Versklavung besteht fort. Wie lange noch?!
Das meint der Autor 1986
bei Herausgabe zu seinem Buch: „Wir sind immer
noch nicht… Was dieses sei? Nehmt es als eine Art Tage- oder
Notizbuch. Es ist ein kunterbuntes, oder eher graues Durcheinander,
gewiss. Den Hauptschauplatz bilden verschiedene Arbeitsstellen. Es geht
darum, wo wir uns befinden, in der Arbeit und darüber hinaus.
Es geht darum, wie „es“ ist, mindestens acht
Stunden am Tag, und ob es möglich wäre, da heraus und
in ein anderes zu kommen. Das macht vielleicht das Bunte aus. Das
Graue, und wie ich meine oft Grausame, ist das, was zur Zeit ist, was
geredet, was getan, und vor allem, was nicht getan wird. Aber das kann
doch kaum alles sein, auch wenn bisher wenig anderes gesehen wird (das
was den Anfang bildet, ist leider noch Ausnahme): Es ist da. Und wenn
wir aufhören, sie niederzutrampeln, könnte die Blume
dann nicht wachsen? Nein, der Vergleich mit der Blume ist mir nicht zu
kitschig, den lasse ich hier stehen. (…)“
Das meint der Autor, mit einigen Jahren Abstand, zu seinem Buch: „Tja, was ist das? Im September 1986 im Packpapier Verlag erschienen. Illustration Rune Søndergård. Etwas mehr als 160 Seiten sehr direkte Schilderungen aus der Arbeitswelt z.B. im Gartenbau auf Sylt, immer mit dem Gedanken, ob da nicht einiges sehr anders sein müsste. Manchmal stört mich heute ein etwas moralistischer Ton, der sich durch manche Zeilen zieht. Das Befremden gegenüber dem, was als normal gilt – sowie manche der darin beschriebenen Personen oder Situationen – machen das Buch (…) aber immer noch lesenswert, wie ich finde. Vielleicht vertrüge es mal eine gründliche Überarbeitung. —- Oder gerade nicht?“
Wir meinen:
In einer Zeit, in der das ziellos Ich-fixierte Herumstreifen eines J.v. Düffel und anderer Popliteraten penetrant bepreist wird, tut es gut, auch mal wieder eine Stimme zu hören, die verändern möchte, hoffen, zweifeln und sich einsetzen. Und die utopische Moral ist origineller, als eine Anti- Moral, die Negation für eine Kulturleistung hält. Na dann…